Der Jurist

1
Als Gott mal eine schlechte Nacht
hat den Juristen er erdacht.
Das war ein schlimmes Exemplar,
der Menschheit Störenfried fürwahr!

2
Obwohl ihm das Gesetz verdankt,
nach dem die ganze Welt verlangt,
weil in des Lebens Vielgestalt
er Ordnung wünscht anstatt Gewalt.

3
Und er erschuf auch das Gericht,
das in dem Streit das Urteil spricht.
Doch war es damit nicht genug,
er schuf auch den Instanzenzug.

4
Indem, was eine Hand gewährt,
die andre rücksichtslos zerstört
und man, wenn auch vergeblich oft
dann wieder auf die dritte hofft.

5
Ein guter Anwalt sinnt und spinnt
wie die Partei den Streit gewinnt.
Nicht jedem ist das Schicksal hold,
dass er erreicht, was er gewollt.

6
Die Kosten haben unterdessen
den ganzen Anspruch aufgefressen.
Drum die Moral von der Geschicht':
Richt' Dich nach den Gefühlen nicht!

7
Tu wie der Anwalt Dich berät.
Bescheide Dich, eh' es zu spät.
Sei nicht zu hart und nicht zu weich
dann kommt's beizeiten zum Vergleich.

8
Das bringt den rechten Nutzen Dir,
dem Anwalt die Vergleichsgebühr.
Wenn so sich der Jurist bemüht
ist Helfer er, nicht Störenfried.

Wilhelm Möhring